Rasieren verboten!
Bündnis aus Tierschutz, Veterinärmedizin und Wissenschaft stellt sich gegen Schur der "Barthaare" aus kosmetischen Gründen. Wer seinem Hund die Tasthaare entfernt, verstößt gegen das Tierschutzgesetz.
Was für Menschen eine Frage des Geschmacks ist, ist für Hunde ein No-Go: Das Abschneiden, Scheren oder Rasieren der Tasthaare (auch Barthaare, Sinneshaare – im Fachjargon Vibrissen – genannt) aus kosmetischen Gründen ist ein unzulässiger Eingriff, der laut österreichischem Tierschutzgesetz verboten ist. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das die Tierschutzombudsstelle Wien (TOW) aus aktuellem Anlass in Auftrag gegeben hat. Diese Position wird von einem breiten Bündnis aus Tierschutz, Veterinärmedizin, Wissenschaft und Hundeverhaltensexpert*innen unterstützt.
Verstoß gegen das Tierschutzgesetz
Bei der Internationalen Hundeausstellung in Graz (IHA) waren im vergangenen Jahr im Zuge der amtstierärztlichen Kontrolle auch die Tasthaare der ausgestellten Hunde überprüft worden. In mehreren Fällen wurde das Fehlen der Vibrissen beanstandet, was das zuständige Veterinäramt als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz wertete. Diese Entscheidung sorgt bis heute für rege Diskussionen.
Das von Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer und DDr.in Regina Binder veröffentlichte Gutachten kommt zu einem eindeutigen Ergebnis. Es wird die Auffassung vertreten, dass das Abschneiden von Vibrissen bei Hunden aus tierschutzrechtlicher Sicht verboten und aus veterinärfachlicher, biologischer und tierethischer Sicht abzulehnen ist. Eine Position, die von den Österreichischen Tierschutzombudspersonen (mit Ausnahme Burgenland), dem Dachverband der Österreichischen Tierschutzorganisationen „pro-tier“, der Österreichischen Tierärztekammer sowie der „Prüf- und Koordinierungsstelle Assistenzhunde und Therapiebegleithunde“ am Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität geteilt wird.
Sinnesorgane mit vielen Funktionen
In dem Gutachten wird die wichtige Funktion der Sinneshaare eingehend erläutert. „Vibrissen […] sind ein wichtiger Teil des taktilen sensorischen Apparats bei nahezu allen Säugetieren, außer beim Menschen“, heißt es in dem 15-seitigen Dokument. Zwar fehlt es bislang an seriösen wissenschaftlichen Studien über die Bedeutung der Vibrissen speziell für Hunde, doch „nach den anatomischen Gegebenheiten bei Hunden und nach verhaltens- und neurophysiologischen Daten anderer Säugetierarten, die mit Hunden vergleichbar sind, kann man die Hypothese aufstellen, dass es sich bei Vibrissen um Sinnesorgane handelt, die für die Tiere eine bestimmte Bedeutung bzw. Funktion haben“, schreiben Winkelmayer und Binder. So wird den Tasthaaren eine wichtige Rolle etwa bei der Orientierung im Dunkeln, bei der Wahrnehmung von Umgebung und Objekten sowie bei der Kommunikation zugeschrieben.
Laut Bundestierschutzgesetz sind Eingriffe, wenn sie nicht therapeutischen bzw. diagnostischen Zwecken oder der fachgerechten und rechtskonformen Kennzeichnung von Tieren dienen, verboten. Ohne eine veterinärmedizinische Indikation dürfen Eingriffe, die der Veränderung des phänotypischen Erscheinungsbildes eines Tieres dienen und daher aus kosmetischen Gründen erfolgen, nicht durchgeführt werden (§ 7 Abs. 1 TschG). Dass die Tierschutzgesetzgebung das Entfernen der Vibrissen für tierschutzrelevant erachtet, zeigt sich auch darin, dass bei Pferden das Clippen der Tasthaare um Augen, Nüstern und Maul ausdrücklich verboten ist (1. ThVO, Anlage 1). Eine unterschiedliche Bewertung der Maßnahme bei Pferd und Hund könne sachlich nicht gerechtfertigt werden, urteilen Binder und Winkelmayer im Gutachten. In Deutschland ist die Gesichtsschur bei Hunden übrigens ebenfalls verboten.
Die Mitglieder des Bündnisses hoffen, dass das Bewusstsein für das bestehende Verbot der kosmetischen Vibrissen-Schur unter Hundehalter*innen, speziell bei den Halter*innen besonders betroffener Rassen und in den jeweiligen Verbänden, weiter zunimmt. Auch sollten bei internationalen Hundeausstellungen Teilnehmer*innen aus anderen Ländern im Vorfeld explizit auf die österreichische Gesetzeslage aufmerksam gemacht werden, um hier unangenehme Situationen zu vermeiden.
Das vollständige Gutachten ist in der Zeitschrift Tierschutz in Recht und Praxis erschienen und hier abrufbar.